Actionkino auf Bulgarisch

31. Januar, 19 Uhr, ein ausverkaufter Veranstaltungssaal in der Uni zu Köln. Der momentan in Bulgarien angesagte Film “Wildlings” wird zum ersten Mal in einer deutschen Stadt gezeigt und zwei der Schauspieler sowie Produzenten des Films – Yana Marinova und Alexander Sano – begrüßen vor Ort das Publikum. Auf allen Gesichtern ist ein breites Lächeln zu sehen.

Die Hauptdarsteller des bulgarischen Films „Wildlings“ Yana Marinova und Alexander Sano begrüßten die Gäste im ausverkauften Saal in der Uni zu Köln

“Wildlings” ist der neue Spielfilm des bulgarischen Regisseurs Martin Makariev, der in Sofia lebt und arbeitet. Darin geht es um zwei Frauen, gespielt von Yana Marinova und Luiza Grigorova-Makariev, deren Leben von heute auf morgen auf den Kopf gestellt wird. Beide werden in Gelddiebstahl und Entführung verwickelt und vom Polizeiinspektor Donev, gespielt von Alexander Sano, verfolgt. “Wildlings” ist eine zweistündige Action-Komödie, eine amüsante Thelma-und-Louise-Geschichte mit rasanten Action-Szenen, romantischen Runden, schönen Bildern der bulgarischen Städte Weliko Tarnowo und Varna sowie bunten Charakteren, die von in Bulgarien berühmten Namen aus der Kino- und Musikwelt gespielt werden.

Nach der Filmvorführung von „Wildlings“ haben Yana Marinova und Alexander Sano Autogramme gegeben und haben sich mit allen Gästen fotografieren lassen

Der Filmabend wurde von Katja Kostova von ART Theater veranstaltet. ART Theater ist eine Organisation mit Sitz in Berlin, die bereits seit vier Jahren die bulgarische Kultur in Form von Theatervorführungen, Literaturlesungen, Konzerten und nun auch Filmvorführungen in Deutschland darstellt. Das Event in Köln wurde mit der Unterstützung des “Klub Buditeli”, dem offiziellen Klub der Bulgaren in Köln veranstaltet.

Vor der Filmvorführung haben wir Yana Marinova und Alexander Sano getroffen und uns über ihren Filmprojekt unterhalten.

Alexander Sano, Yana Marinova und unsere Reporterin Ana Barzakova im Gespräch vor der Filmvorführung (von links nach rechts)

Wie war eure Filmtour bis jetzt? Seit November 2019 seid ihr auf dem Weg.
Alexander: Im November hatten wir eine zehntägige Vorpremiere-Tour in Bulgarien. Aus Respekt den Städten und Gemeinden gegenüber, die uns bei den Filmdrehen unterstützt haben, sind wir auch bei ihnen gestartet – in Weliko Tarnowo, Russe, Varna, auch Gorna Oryahovitsa, Schumen…
Yana: Im Schluss hatten wir die Premieren in Sofia und Plowdiw. Danach sind wir direkt nach London geflogen.
Alexander: Wörtlich am nächsten Tag – am 29. November war der offizielle Kinostart in Bulgarien und am 30. hatten wir die erste Premiere in London. Am nächsten Tag waren wir schon in Schottland, in Glasgow, dann zwei Vorführungen in Edinburgh…
Yana: Danach waren wir erneut in London, wieder in Bulgarien… Wir haben jede Stadt besucht, deren Fans uns angeschrieben haben. Wir haben sogar die Zuschauen bei den Vorpremiere-Vorführungen in Sofia überrascht.
Alexander: An einem Abend rief mich Yana an. Zuerst klingelte sie bei mir, danach noch bei Luisa und Martin Makariev. Jeder von uns war zu Hause auf dem Sofa liegen, aber Yana meinte, ein Freund von ihr sei in einem der Kinosäle bei der Vorpremiere, es sei komplett ausverkauft… Wir sind natürlich aufgesprungen und haben das Publikum überrascht. Es war mega cool.
Yana: Wir wollten einfach die Reaktion der Zuschauer sehen.
Alexander: Vor allem weil sie nicht wussten, dass wir da sein werden. Sie waren ganz normal ins Kino gegangen.
Yana: Es war ein großartiges Erlebnis!

Die bulgarischen Schauspieler Alexander Sano und Yana Marinova haben uns voller Stolz und mit einem breiten Lächeln im Gesicht von ihrem aktuellen Film „Wildlings“ erzählt

Warum ist es euch so wichtig, das Publikum zu treffen? Was bringen euch solche Treffen?
Alexander: Für mich persönlich ist es besonders wichtig, genau bei den Filmvorstellungen für die bulgarische Community im Ausland dabei zu sein. Es wäre am einfachsten, die Filmdatei zu verschicken und fertig. Wir möchten aber diese Menschen treffen und die Emotion des Films und der Begegnung mit ihnen teilen. Das tun wir aus Respekt ihnen gegenüber.
Yana: Es ist kein Zufall, dass diese Menschen im Ausland leben. Sie sind anders, sie haben sich geweigert, im unangenehmen bulgarischen Alltag zu leben, das heißt aber nicht, dass ihnen das Land nicht fehlt und dass wir nichts für sie machen sollen. Wenn man nur mit sich selbst beschäftigt ist, wie wird man über den Horizont hinaus kommen?! Welche Personen führen die Welt nach vorne? Diese, die sagen, sie möchten weiterschauen, weil es draußen in der Welt spannende Sachen passieren.

Fühlt ihr euch anders unter Bulgaren im Ausland und Bulgaren in Bulgarien?
Alexander: Definitiv. Es wäre aber scheinheilig zu sagen, dass sich die Bulgaren in Bulgarien nicht freuen, uns zu sehen. Im Gegenteil. Da freuen sie sich aber eher darüber, dass ein bulgarischer Film eine so gute Produktion geworden ist, dass wir damit so ein hohes Niveau erreicht haben, was in den letzten Jahrzehnten im Land fehlte. Hier dagegen kommt noch etwas dazu – die Zuschauer freuen sich über den Film, aber sie möchten das Bulgarische sehen und spüren. Die Emotionen sind etwas unterschiedlicher.
Yana: Die Bulgaren im Ausland wissen das Außergewöhnliche zu schätzen. Sie interessieren sich für Kunst, sie können das Beste der Welt sehen, sie reisen und können das Erlebte vergleichen. In Bulgarien gibt es oft Menschen, die nur das sehen, was ihnen im Fernsehen gezeigt wird. Man denkt nicht weiter als in seinem Viertel. Was natürlich nicht schlimm ist! Ich sage das komplett ohne urteilen zu wollen. Wir wollten ein Werk kreieren, dass die Sinne eröffnet. Bei diesem Film wird jeder viel lachen, der zwischen den Zeilen lesen kann.
Alexander: Ich würde nicht sagen, dass er einen nur zum Lachen bringt. Humor zu zeigen, ist immer gut, aber “Wildlings” ist kein Film nur voller Scherze, den du am nächsten Tag vergessen hast. Wir haben Nachrichten von Leuten bekommen, die z.B. eine Woche später den Film nochmal im Kino sehen. Etwas bei der Geschichte hat sie getroffen und sie entdecken immer wieder neue Details.
Yana: Das sind definitiv auch die jüngeren Menschen. Diese kommen langsam von der Chalga-Kultur weg, sie schämen sich sogar, damit in Verbindung zu kommen… Das sind Leute, die spüren, dass sich die Welt verändert, die dafür offen sind.

Was unterscheidet “Wildlings” von den anderen zeitgenössischen bulgarischen Filmproduktionen?
Yana: Mit diesem Film haben wir unsere Aufgabe am besten erfüllt. Die Qualität ist auf hohem Niveau und es lohnt sich, ihn zu sehen. Auch die internationalen Kollegen, mit denen jeder von uns mal gearbeitet hat, waren davon begeistert. Denn die Ausländer interessieren sich nicht für den bulgarischen Film, sondern sie vergleichen unsere Produktionen mit der Weltkino. Für “Wildlings” haben wir jedes Detail für eine 30 Meter breite Kinoleinwand ausgearbeitet. Das ist der Hauptunterschied – hier geht es nicht um einen Film, den man sich zu Hause auf dem kleinen Monitor anschauen wird.
Alexander: Definitiv, hier geht es um einen hohen Standard. Sowohl künstlerisch, wie auch technisch deckt unser Film alle Anforderungen für eine Kinoproduktion im Jahr 2020 ab.

Katja Kostova vom ART Theater, Berlin, die Organisatorin der Filmtour in Deutschland, dokumentierte unser Interview

Wie würdet ihr die Geschichte des Films beschreiben?
Yana: Das ist ein Genrefilm, der sich nicht mit der bulgarischen Lebensweise beschäftigt. Das ist eher eine Geschichte, die sehr motivierend, amüsant und witzig ist. Die Trennlinie zur Parodie ist hier sehr fein. Bei bestimmten Szenen machen wir auch Scherze über das amerikanische Kino, wir zeigen alles, wie wir es sehen und wollen. Ich konnte z.B. nicht verstehen, warum Alexander Sano und Martin Makariev unbedingt ein Maisfeld vier Monate lang gepflegt haben…
Alexander: Nicht vier, sondern sieben Monate lang!
Yana: Die Maispflanzen sind vier Meter groß geworden. Und wofür?! Nur für die eine Szene, bei der wir mit dem Auto dadurch gefahren sind!  Aber später, als wir die Szene gedreht haben und ich durch diesen Mais gefahren bin, war ich so erschrocken… Das war ein einzigartiges Erlebnis und dadurch spürten wir, dass wir ein Teil des großen Kinos sind. Vor kurzem habe ich “Interstellar” gesehen und der Maisfeld im Film ist genau so hoch wie bei uns. (lacht, Anm. d. Red.) Dann wusste ich, wie wichtig jedes Detail ist.

Im Kontext der heutigen feministischen Bewegung – wie wichtig war es für dich, Yana, eine dieser zwei starken Frauen, die ihr Leben anpacken, zu spielen?
Yana: Hier ist wichtig zu bemerken, dass das zwei ganz normale Frauen sind, die mit 15 Jahren große Träume gehabt haben. Meine Figur wollte an Motocross-Wettkämpfen teilnehmen, die Figur von Luisa träumte davon, die nächste große Harry-Potter-Autorin zu werden…
Alexander: Ich möchte hier eine Klammer öffnen. Wir haben uns für den Film nicht deswegen entschieden, weil die Geschichte so aktuell ist. Sie hat uns einfach gefallen und uns bewegt. Es ist eher ein Zufall, dass heute die meisten Filme weltweit mutige Frauen als Hauptcharaktere innehaben.
Yana: Jeder Filmemacher möchte mit der Zeit gehen und die eigene Wahrheit über die Fragen, die die Menschheit beschäftigen, darstellen. Dennoch ist unsere Produktion auf keinen Fall ein feministischer Film. Es geht einfach um zwei Frauen, die als Kinder Träume hatten. Sie leben aber in Bulgarien, in einem Land, in dem angeblich alles sehr in Ordnung ist und sich fortschrittlich entwickelt. Da gibt es aber immer noch genug Menschen, die einen klein und kaputt machen und die einem sogar die Träume zertrampeln. Eigentlich sind aber nicht diese Menschen schuld an deinem Unglück, sondern du selbst, weil du sie duldest. Warum um Gottes willen?! Heute ist nicht wie früher, als die Grenzen zu waren und keiner reisen, zurückkehren, studieren oder sich weiterbilden durfte. Unser Ziel war es genau diese Möglichkeiten zu zeigen. Wenn du ehrlich bist, wenn du etwas mit dem Herzen tust, ohne dich zu verstellen, klappt alles. 

Für den Film “Attraction” (2018) habt ihr bereits zusammen gearbeitet – Luisa hat ebenso eine Hauptrolle gehabt und Martin Makariev hat Regie geführt. Wie kam es zu diesem neuen, gemeinsamen Projekt?
Alexander: Wenn ein paar Schauspieler sich im Theater finden und eine Truppe bilden, dann arbeiten sie gewisse Zeit zusammen. Unser Fall ist keine besondere Ausnahme. Bei den Weltproduktionen passiert es ja auch – Scorsese hat z.B. Jahre lang mit DiCaprio gedreht, Quentin Tarantino arbeitet ebenso immer wieder mit den gleichen Schauspielern…
Yana: Sie sprechen eine Sprache, haben einen ähnlichen Stil.
Alexander: Solange wir zusammen etwas weitergeben können, werden wir es machen. Es gab eine Phase, da haben sich manche Menschen (zum Glück sind es sehr wenige und es wird leider immer solche Nörgelnden geben) beschwert, warum wir mal wieder zusammen spielen. Einmal habe ich auch direkt geantwortet: “Vor einigen Jahren waren 90 Prozent der Filme mit Stefan Danailov oder Welko Kanev in der Hauptrolle. Hat damals jemand genörgelt?” Nein, weil sie einfach die Besten waren und jeder wollte Filme mit ihnen sehen.
Yana: Wenn die Menschen uns nicht mehr sehen möchten, werden natürlich nicht darauf bestehen.
Alexander: Eben. Die heutige Gesellschaft ist sehr konsumorientiert geworden und alles muss einmalig sein. Wir richten uns aber nicht danach.

Katja Kostova vom ART Theater, Berlin, Yana Marinova und Alexander Sano (von links nach rechts)

Was können wir in naher Zukunft von euch erwarten? Sicherlich habt ihr bereits neue Pläne.
Yana: Das stimmt, aber nicht immer im selben Team. Die Männer werden jetzt einen schönen Film machen.
Alexander: Ja, 2020 drehen wir einen Film ohne Frauencharaktere. Wir haben natürlich auch gemeinsame Projekte wie z.B. die Idee für eine sehr schöne Serie.
Yana: Gebt uns einen Impuls und wir schreiben sofort das Drehbuch! (lacht, Anm. d. Red.)  Abgesehen von der Serie habe ich eine Idee, die mich seit langem beschäftigt. Ich werde sie früher oder später realisieren. Vor dem Beginn der Dreharbeiten zu “Attraction” habe ich versucht, einen Film über häusliche Gewalt zu machen. Kein soziales Drama, sondern eher ein Thriller. Überall, wo ich nach Geldern für das Projekt gesucht habe, wurde mir gesagt, wir sollen eher etwas für die jüngeren Zuschauer produzieren. So habe ich kapiert, dass wir eine Schulgeschichte und keinen Thriller drehen werden, und habe meine Idee sacken lassen. (lacht, Anm. d. Red.)
Alexander: Ich denke aber, ab jetzt wird es viel einfacher für uns. Mit “Attraction” haben wir einmal bewiesen, dass wir zusammen gutes Kino machen können. Und nur mit “Wildlings” haben wir die Messlatte noch höher gelegt. Ab jetzt wird man uns vertrauen, egal was wir drehen möchten.

Herzlichen Dank für das Interview!

Petar Popov (Klub Buditeli, Köln), unser Fotograf Vladislav Terziev, unsere Reporterin Ana Barzakova, Alexander Sano, Elena Dimitrova (Klub Buditeli, Köln), Yana Marinova, Katja Kostova (ART Theater, Berlin) und Bozhidar Evdokimov (Klub Buditeli, Köln)

Nach der Filmvorführung in Köln gingen die Hauptdarsteller und die Organisatorin der Veranstaltungen Katja Kostova, ART Theater Berlin, weiterhin auf Reise und waren noch in Münster, Frankfurt, an zwei Abenden in Berlin, dann in Bremen und Hamburg. Katja erzählte uns, dass noch weitere Filmabende in Süddeutschland (in der Nähe von München und Stuttgart) bereits auch geplant sind. Weitere Infos findet ihr auf der Facebook-Seite www.facebook.com/ARTTHEATERBG.

Die internationale Tour von “Wildlings” ging auch noch weiter mit Filmvorführungen in Birmingham und Manchester. Am 13. Februar 2020 war der offizielle Kinostart des Films in Nord Mazedonien, wo Yana Marinova und Alexander Sano durch ihre Rollen in der Serie “Prespaw” bereits bekannt sind. Alexander freute sich auch, dass es ein internationales Interesse am Film gibt und dass sie momentan verhandeln, dass der Film auch in Serbien, der ehemaligen Jugoslawien, Albanien, Kanada und in manchen südamerikanischen Ländern wie Venezuela offiziell starten soll. www.facebook.com/diviishtastlivimovie

Produktion: © 2020 ASPEKTA
Text: Ana Barzakova
Fotograf: Vladislav Terziev

Ana Barzakova
Letzte Artikel von Ana Barzakova (Alle anzeigen)